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18. August 2018
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Mini-Serie Schattenbanken. Teil 2: Gründe des Aufstiegs und ihre Zwecke.

5 min Lesezeit

DEZERNAT ZUKUNFT

Nachdem der erste Teil der Serie den Begriff „Schattenbank“ definierte und im Finanzsystem einordnete, beschreibt dieser zweite Teil die Entwicklung des Sektors, insbesondere nach der Finanzkrise, und diskutiert seinen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Nutzen.

Aufstieg der Schattenbanken durch Abstieg der Banken

Der Aufstieg der Schattenbanken hat seinen Ursprung vor allem in den Jahren um die Finanzkrise ab 2007 und der daraus resultierenden stärkeren Regulierung von Banken. Doch eine erste Blüte, mit erheblichen Konsequenzen, trieben Schattenbanken bereits vor der Krise: insbesondere in den USA spielten sie eine gewichtige Rolle in der stetig wachsenden Hypothekenblase. Durch eigene Zweckgesellschaften, wie z. B. Verbriefungsvehikel, konnten Banken die sog. subprime-Kredite aus ihren Bilanzen streichen, wodurch eine immer lockerere Kreditvergabe möglich war. Nach einem signifikanten Preisfall im Immobiliensektor stellte sich jedoch heraus, dass die zugrunde liegenden Sicherheiten (Immobilien) überbewertet gewesen waren; plötzlich saßen die Zweckgesellschaften auf einem Haufen fauler Kredite. Die daraus entstandenen Verluste trafen wiederum die Bilanzen der betroffenen Banken, die die Solvenz ihrer Verbriefungsvehikel garantierten, mit aller Härte. Refinanzierungsschwierigkeiten dieser Institute ebneten letztendlich den Weg zur Finanzkrise ab 2007.

Gleichzeitig wurde klar, dass der fälschlicherweise für relativ stark reguliert und sicher befundene Bankensektor sich zum Teil der regulatorischen Aufsicht entzogen hatte, bzw. dass Risiken hier falsch bewertet wurden. Dies hatte dazu geführt, dass auch die Eigenkapitalquoten für Banken nicht ausreichend bemessen waren, um die massiven Verluste aufzufangen. Infolgedessen verschärfte man die regulatorischen Vorgaben, insbesondere zu Eigenkapitalquoten und der Risikogewichtung einzelner Papiere. Durch auf diesem Wege gestiegene Kosten der Regulierung, insbesondere für risikoreichere Anlagen, sowie generelle Konsolidierung und gefallene Erträge, zogen sich Banken nach der Finanzkrise mehr und mehr aus eben diesen risikoreicheren Geschäften zurück. Schattenbanken — frei von ähnlich umfassender Regulierung — konnten diese hinterlassene Lücke schließen. Im Jahr 2013 — neuere Daten waren nicht zu finden — wurden in den USA bereits die Hälfte aller Kredite von Schattenbanken vergeben, in Europa war es immerhin gut ein Drittel (Quelle: IMF, Seite 67).

Weiter begünstigt wurde das Wachstum des Schattenbanksektors durch einen steten Zufluss liquider Mittel, da Anleger durch in der Folge der Krise niedrig gehaltene Leitzinsen zunehmend auf alternative Anlagearten setzten. Ein Teil des Schattenbanksektors profitierte hiervon besonders: der Investmentfondssektor. Außer den Geldmarktfonds, die in der Krise in Schieflage gerieten und im Anschluss umfassender reguliert wurden, wuchsen alle anderen Arten von Investmentfonds (Hedgefonds, Immobilienfonds, Andere Investmentfonds) zusammen genommen um mehr als 80 Prozent.

Daten: Bank of international Settlements (BIS)

Funktion von Schattenbanken

Dieses Wachstum, insbesondere im Investmentfondssektor bringt uns zum nächsten Punkt, der Funktion von Schattenbanken. Schattenbanken und insbesondere Investmentfonds bieten Investoren und Anlegern neue und alternative Anlagemöglichkeiten. So ermöglichen sie bei höherer Risikobereitschaft auch entsprechend höhere Zinsen als z. B. ein Festgeldkonto der örtlichen Bank, insbesondere in der derzeitigen Niedrigzinsphase. Doch auch risikoscheueren Anlegern bietet sich die Möglichkeit durch Indexfonds, d.h. Fonds, die einen bestimmten Aktienindex möglichst genau abbilden, mittelfristig höhere Renditen bei im Vergleich zu Einzelaktien deutlich geringerem Risiko und niedrigen Kosten zu erwirtschaften.

Wie zuvor beschrieben übernahmen Schattenbanken nach der Finanzkrise zudem einen Teil des Geschäfts der Banken, insbesondere in der Kreditvergabe. Durch generell zögerlichere Vergabe von Krediten und den Rückzug der Banken aus riskanteren, aber potenziell Ertrag bringenden Anlagen, gab es auch hierfür eine rege Nachfrage. Schattenbanken bieten Unternehmen und Haushalten also neue Finanzierungsmöglichkeiten. Damit einhergehend erhöhen sie den Wettbewerb am Finanzmarkt, insbesondere in der zuvor von Banken dominierten Kreditvergabe, was theoretisch zu mehr Effizienz führt.

Jedoch ergeben sich aus der Kreditvergabe der Schattenbanken nicht nur realwirtschaftliche Investitionen, d.h. nicht jeder von Schattenbanken vergebene Kredit unterstützt z. B. eine Unternehmensgründung oder -expansion, woraus wiederum Arbeitsplätze oder Produktivitätsgewinne entstehen. Auch in der (legalen) Steueroptimierung internationaler Konzerne spielen Schattenbanken, bzw. firmeneigene Finanzierungseinrichtungen (in der Grafik unter captive financial institutions verortet), eine tragende Rolle. Mit Sitz in einem steuergünstigen Land vergeben diese Einrichtungen (hochverzinste) Kredite innerhalb ihres Konzerns und mindern so die zu versteuernden Gewinne der kreditnehmenden Tochtergesellschaften in anderen Ländern. Obgleich legal, ist diese Funktion von Schattenbanken von zweifelhaftem gesellschaftlichen Nutzen. Wie die obige Grafik zeigt, verzeichnete diese Art von Schattenbanken seit der Krise ebenfalls starkes Wachstum: mehr als 50 Prozent zwischen 2007 und 2016. Durch die breite Definition des Begriffes der captive financial institutions kann allerdings nicht präzise nachvollzogen werden, welches Volumen die Steueroptimierungsmaschinen in diesem Teilsektor tatsächlich ausmachen.

Zum Abschluss sei nochmals auf die bereits eingangs beschriebene Art der Schattenbanken verwiesen, die in der Finanzkrise eine prominente Rolle spielten: Verbriefungsvehikel (in der Grafik unter structured finance vehicles verortet). Verbriefungsvehikel fassen verschiedene Vermögenswerte (z. B. Hypotheken) anhand verschiedener Charakteristika (Laufzeit, Ausfallrisiko) zusammen, um daraus wiederum eine Art von Anleihe an Investoren zu verkaufen. Auch hier ist der gesellschaftliche Nutzen nicht eindeutig. Sicher ist, dass solche Transformationen von Vermögenswerten ein nicht unerhebliches Risiko bergen können, das sie mitunter verschleiern, da meist nicht oder nur schwer nachzuvollziehen ist, wie riskant die ursprüngliche Anlage war, bzw. ob sie ausreichend besichert ist. So geschehen 2007. Dieser Sektor ist seit der Finanzkrise stark geschrumpft, was zum einen der schärferen Regulierung geschuldet ist, zum anderen dem Rufverlust, den sie durch ihre Rolle in der Finanzkrise erfahren haben.

Zusammengefasst erfüllen Schattenbanken also sowohl nützliche Funktionen, insbesondere das Zusammenbringen von risikoaffinen Investoren mit finanzierungsbedürftigen Projekten und Unternehmen, als auch gesellschaftlich zweifelhaftere Zwecke, wie das Verschieben von Gewinnen in Niedrigsteuerjurisdiktionen oder das verschleiern von Risiko- und Besicherungsstrukturen.


Ausblick

Im dritten Teil der Serie beschäftigen wir uns mit den Risiken, die vom wachsenden Schattenbankensektor ausgehen, und was dagegen unternommen werden kann.

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